Heute kam ich mal wieder nur langsam voran und auch nicht so weit wie gedacht – Grund waren der starke Wind und das Unwetter.
Durch schöne Suburbs raus aus Kansas City, Kansas
Da beides angekündigt war, hatte ich mich mental aber bereits darauf eingestellt und der Wind wurde erst gegen Tagesende nervig. Der Tag begann allerdings recht windgeschützt in Kansas City: Hier ging es durch schicke Gegenden und sehr schöne Suburbs erst durch das „richtige“ Kansas City und dann den größeren Teil durch das Kansas City in Kansas. Das streckte sich auch noch ein gutes Stück, so dass ich erst nach etwa 30 Kilometern ländlichen Raum befuhr. Vorher war das einzige Abenteuer eigentlich eine Baustelle, der ich gekonnt über den Fußweg auswich.
Noch eine Straßensperrung
Kaum raus auf dem Land, machte sich der starke Südwest-Wind gut bemerkbar. Da er für mich eher ein Seitenwind war, bremste er nicht ganz so stark aus – dennoch musste ich etwas kräftiger in die Pedale treten. Für zwei Kilometer hatte ich dann hinter De Soto das Glück, Rückenwind zu haben – schade, dass es nur ein so kurzes Vergnügen war. Auf einigen Abschnitten, die etwas mehr gen Süden zeigten, musste ich dann doch gut gegen den Wind antreten. Nach einigen Kilometern kam ich an eine Kreuzung – schon wieder ein Schild, das mich vor einer Straßensperrung warnte. Die kommende Brücke über die Interstate sei geschlossen. Kurz Google gefragt – stimmt, das ist sogar eine Dauerbaustelle.
Umleitung über Schotter
Dass meine Route über eine nicht befahrbare Brücke führt, war meine eigene Schuld. Während der Routenplanung hatte mich Google Maps extra umgeleitet, und auch bei GPSies konnte ich hier keinen Track erstellen – die Straße endete vor der Interstate und fing erst dahiner wieder an. Sicherlich ein Fehler, dachte ich mir, und überging diese Tatsache einfach. Jetzt stand ich hier also und musste einen Umweg finden. Die offizielle Umleitung wäre ein großer Umweg gewesen, bei dem ich am Ende einige Kilometer direkten Gegenwind gehabt hätte. Zum Glück half Google Maps mir wieder mal und zeigte einen Weg über zwei Backroads. Die Satelitenbilder zeigten mir zwar, dass das Schotterstraßen sind – aber irgendwie musste ich ja vorankommen.
Zurück auf Route 24
Kurz hinter dem Abbiegen auf die Nebenstraße stand sogar noch einmal ein Schild: „No Detour“, „Keine Umleitung“. Man wollte hier also weiterhin seine Ruhe haben. Mich machte das nur nervös, weil ich dachte, dass es hier vielleicht gar nicht lang geht oder dass man die Interstate hier nicht überqueren kann. Doch es kam alles besser: Nach ein paar Metern sehr grobem Schotter erschien sogar eine Brücke, die mich sicher über die Interstate brachte. Glück gehabt. Und nur knapp einen Kilometer weiteren Schotter später erreichte ich dann endlich wieder geteerte Straße – meine geliebte Route 24. Der würde ich jetzt wieder für eine sehr lange Zeit – fast durch halb Kansas – folgen.
Unwetterwarnung
Es folgten wieder einige Kilometer im harten Seitenwind, ehe ich auf Höhe von Lawrence eine 90°-Kurve gen Norden einlegte. Jetzt hieß es, wieder ordentlich vor dem Rückenwind zu segeln. Während ich die folgenden Kilometer bei gutem Tempo genoss, färbte sich der Himmel am Horizont plötzlich dunkel – die angekünfigten Gewitterschauer. Ich checkte also kurz meine Wetter-App. Erster kleiner Schock: Es gab sogar eine Unwetterwarnung vor schweren Gewittern für meine Region. Zweiter kleiner Schock: Joe, bei dem ich in Angola übernachtet hatte, schrieb mir, ich „solle auf mich aufpassen – sieht nach schlechtem Wetter bei Dir aus“. Das machte mich noch mehr nervös. Als ich dann am Himmel einen Blitz aufleuchten sah, legte ich meinen Sprint-Modus ein – obwohl ich wieder gen Westen fuhr und mit dem Wind zu kämpfen hatte. Als nach einigen Kilometern in dem kleinen Ort Perry endlich eine Tankstelle kam, suchte ich sofort Unterschlupf.
Die Ruhe vor dem Sturm
Noch regnete es nicht, aber ich wollte auf alles vorbereitet sein und trocken bleiben. Der Tankstellen-Mitarbeiter kam sogar raus und lud mich ein, reinzukommen. Ich wollte aber erst einmal das Wetter beobachten. Laut Radar würde ich schon im Gröbsten drin sein. Es fing aber irgendwann nur an, zu nieseln – und dann donnerste und blitzte es etwas. Das ging für einige Zeit so und ich dachte fast, dass es damit bereits getan war – doch dann fing es plötzlich an, wie aus Eimern zu gießen. Gleichzeitig wurden die Blitze stärker und die Donner lauter und ich flüchtete doch in die Tankstelle. Jetzt war ich froh, rechtzeitig Sicherheit gesucht zu haben.
Die zweite Schauer-Welle
Irgendwann war dann ziemlich schnell alles vorbei – der blaue Himmel war zurück und die letzten Regentropfen fielen vom Himmel. Ich schwang mich also wieder aufs Rad und war erstaunt, dass plötzlich kein Wind mehr wehte. Im Eiltempo ging es also voran. Links und rechts von mir schien bereits wieder die Sonne, nur über mir waren noch ein paar dunkle Wolken. Und so bekam ich noch ein paar Tropfen ab, dann wieder ein paar Tropfen, und ehe ich mich versah war ich wieder mitten in einem schönen Gewitterschauer. Also fix Regencape an und schnell zur nächsten Tankstelle gesprintet. Jetzt bin ich leider doch ganz schön nass geworden. Ein erneuter Blick aufs Regenradar hätte mir das erspart…
Plötzlich noch mehr Wind
Leider war der Wind nach dem zweiten Schauer wieder da – und das noch stärker als zuvor. Außerdem hatte sich die Windrichtung gedreht: Statt aus Südwest kam der Wind jetzt aus Nordwest – und pustete mir damit doch ganz gut auch von vorne ins Gesicht. Doch besonders auf Höhe von Topeka musste ich ganz schön aufpassen, dass der Wind mich nicht nach links auf den Highway weht. Die Böen waren sehr extrem und forderten mein Gleichgewicht immer wieder heraus. Irgendwann dann erreichte ich Silver Lake, und ich überlegte erst, meine Etappe hier enden zu lassen – ich war schon ganz gut bedient. Doch einerseits gab es hier nicht wirklich eine geeignete Camping-Stelle, andererseits wollte ich noch möglichst viel Kilometer schaffen, um dann morgen umso weniger bis Clay Center zu haben. Also auf in den Gegenwind – jetzt musste ich nämlich auch nach Nordwesten radeln.
Auf der Suche nach einem Platz zum Campen
Und so quälte ich mich in den nächsten Ort, der mich jedoch auch nicht wirklich ansprach. Hier noch kurz die Trinkflaschen beim örtlichen „Casey’s“ aufgefüllt und wieder weiter aufs Rad. Im Schneckentempo schlich ich mich nach St. Marys – am schlimmsten waren die Abschnitte, die ungeschützt ohne Bäume auf der rechten Straßenseite waren. Endlich in der kleinen Stadt angekommen, guckte ich zuerst nach Kirchen. Doch dort war niemand da. Also weiter. Es gab einen kleinen Pavillon direkt an der Route 24 – zu stark befahren. Ich fand einen Park am südlichen Ende der Stadt, der ziemlich groß war und mir ideal erschien. Hier gab es auch mehrere Pavillons. Doch einfach so wild campen? Ich entschloss mich, mir Abendbrot zu suchen und dabei nach Leuten ausschau zu halten, die ich hätte fragen können, ob ich dort campen kann – oder ob es nicht vielleicht doch eine Art Motel oder Bed & Breakfast im Ort gibt. Mir wurde so langsam nämlich auch kalt.
Plötzlich Partygast
Ein Restaurant fand ich in der unmittelbaren „Innenstadt“ leider nicht, dafür musste ich auf dem Weg zu der vor dem Ortseingang liegenden Pizzeria doch noch einmal Kehrt machen, weil ich meine Sonnenbrille am Park verloren hatte. Als ich gerade wieder auf dem Rad war, kam mir ein Feuerwehrauto entgegen. Die Idee – bei der Feuerwehrstation fragen. Also kurz umgesehen und tatsächlich, direkt um die Ecke lag die Station. Davor standen einige Frauen, die ich direkt ansprach. Wie sich herausstellte, wurde gerade die Graduation einer Tochter gefeiert und nach einem kurzen Plausch über mein Abenteuer lud man mich ein, mich doch am Buffet zu bedienen. Der Mann der einen Frau sei gerade mit dem Feuerwehrauto unterwegs und würde gleich kommen – ihn könnte ich fragen, ob ich im Park zelten darf.
Ein warmes Bett
Zuerst einmal war ich natürlich wahnsinnig überrascht und froh, ein unerwartetes Abendessen zu bekommen. Daneben waren hier wieder alle Leute unheimlich nett und auch sehr an meiner Reise interessiert – ich erzählte also einige Male, von wo nach wo ich fahre und wie ich mich so durchschlage. Irgendwann setzte sich ein Mann zu mir – Ryan – und fragte mich nach kurzer Zeit, ob ich wirklich campen will, oder – mit Blick zu seiner Frau Michelle – ob ich nicht lieber ein warmes Bett haben würde. Wahnsinn, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet – und das Angebot schlug ich natürlich nicht aus. Ryan lud also mein Rad auf seinen Pick-Up und fuhr mich zu seinem etwas außerhalb liegendem Haus, wo ich mich frisch machte und dann noch einen langen und sehr lustigen Abend mit der Familie verbrachte. Wir plauderten über die deutschen Vorfahren von Michelle, Sportarten, Familie, Urlaube und und und. Die drei Kinder der beiden waren sehr interessiert an meiner Reise und so zeigte ich ihnen noch ein paar Bilder. Am Ende spielte ich sogar noch ein paar Lieder auf dem Klavier vor, ehe ich mich auf dem luxuriösen Luftmatratzen-Bett schlafen legte.
@Michelle and Ryan: Thanks for offering me a warm bed for the night and for the really funny and unforgettable evening! I didn’t expect anything like this for tonight. It’s things like this that make my journey so special. Hope to see you again someday (in Germany?)
Die Etappe auf Strava