Als Europäer darf man sich natürlich den Eurovision Song Contest keinesfalls entgehen lassen – auch nicht in den USA. Die heutige Etappe fiel also etwas kürzer aus, war aber mit dem Wind nicht weniger anstrengend…
Abschied von Ryan und Michelle
Eine Nacht ist eigentlich immer viel zu kurz, um sich all die spannenden Geschichten zu erzählen. Bei Ryan, Michelle und ihrer Familie fühlte ich mich sehr wohl und es war dann irgendwie schade, nach einer erholsamen Nacht, einem sehr leckeren Frühstück und einer weiteren kurzen Klavier-Vorführung wieder weiterzufahren. Die komplette Familie brachte mich dann mit dem Pick-Up noch zum Highway 24 zurück, damit ich nicht über die Schotterpiste fahren musste – an der Kreuzung hieß es dann, Abschied zu nehmen. Mit viel Gewinke machte ich mich wieder auf in Richtung Westen. Erste Gedanken: Der Wind weht zwar weniger als gestern, aber immer noch stark – und weiterhin aus Norden. Und: Puh, ist der Wind frisch. Zum Glück hatte ich Arm- und Beinlinge schon an.
Mittagspause in Manhattan
So rollte ich dann das erste Drittel der heutigen Etappe recht schnell nach Manhattan, um hier eine kurze Mittagspause einzulegen. Bisher wehte der Wind wieder nur von der Seite, ab jetzt würde ich aber mehr gen Norden fahren und so auch direkt in den Gegenwind. Vorher holte ich mir also noch eine kurze Stärkung beim König unter den beliebten Schnellrestaurants. Direkt im Ortsausgang der Stadt dann die Überraschung: Die bis hierhin schon sehr flache Strecke geht doch wieder ins hügelige über. Aber das war mir ganz recht: Lieber einen Anstieg als Gegenwind. Und so ging es einige Male bergauf, bergab – mit mal mehr Wind, mal weniger. Hier gab es auch die zwei Sehenswürdigkeiten des Tages: Den Ortsnamen von Manhattan auf einem Hügel und einen großen Stausee, der anscheinend für militärische Übungen genutzt wird. Ich meine einige Male dumpfes Donnern gehört zu haben, das mich an unseren Truppenübungsplatz in der Senne erinnert hat.
Abkürzung ohne Gegenwind
Von der Landschaft her waren die meisten Abschnitte tatsächlich eher Wiesen und kleinere Wälder – keine Felder und Farmen in Sicht. Auch der Verkehr war erträglich, an Wochenenden scheinen auch hier in den USA weniger Trucks unterwegs zu sein. Und je weiter ich fuhr, desto leerer wurden die Straßen. In Riley bog die Route 24 dann gen Norden ab, ich fuhr aber weiter geradeaus auf der Route 77. Ursprünglich war die Idee, einfach „eine später“ nach Norden zurück auf die 24 zu fahren und so ein paar Meter Gegenwind zu sparen. Doch Google hatte mir ja bereits die ganze Zeit eine Abkürzung vorgeschlagen, bei der ich gar nicht erst direkt gen Norden hätte fahren müssen. Und da der Wind immer stärker pustete, wollte ich mal wenigstens einen Blick darauf werfen: Statt Farm-Backroad war das tatsächlich eine geteerte County-Road – so viel verriet das Sattelitenbild. Und das reichte mir – also schnell runter von der geplanten Route.
Die Stadt, die nicht erreicht werden will
Es ließ sich doch ausgesprochen gut auf der kleinen Straße fahren – Angst vor Hunden hatte ich tatsächlich nur zwei Mal, und am Ende waren die Hunde sogar in Zwingern eingesperrt. Der eigentlich anstrengendere Abschnitt folgte dann, als die Straße Richtung Nordwesten abbog: Direkt in den Gegenwind. Die letzten Kilometer wurden zum Kampf. Fast hatte ich das Gefühl, dass mich der Wind davon abhalten wollte, mein Ziel Clay Center zu erreichen oder den ESC zu gucken. Die erste Stunde hatte ich eh bereits verpasst, aber auf diesem Abschnitt verlor ich noch einmal kostbare Sendezeit. Windböen brachten mich fast zum Stehen, und die Stadt schien auf der Garmin-Karte einfach nicht näher kommen zu wollen. Irgendwann dann endlich die Erlösung – Windschatten in den Straßen von Clay Center. Jetzt fix zum Motel.
Deutschland wieder letzter?
Kaum im Zimmer, erst einmal Fernseher an. Ernüchterung: Der Röhrenfernseher versursacht eher Augenbkrebs oder epileptische Anfälle. Also erst gar nicht nach dem Sender gesucht, sondern Tablet rausgeholt. Zweites Problem: Der Livestream auf logoTV funktionierte nicht. Also schnell den Livestream deutscher Fernsehsender herausgekramt, den Max, Caro und ich auch immer in London benutzt hatten – das ging. Und ich konnte sogar Peter Urban genießen. Alle meine Favoriten schnitten leider eher mittelmäßig ab – ich fand Schweden, Frankreich, Lettland, Russland und natürlich Jamie sehr cool. Schade, dass wir wieder auf dem letzten Platz gelandet sind. Ich hoffe, das ist kein schlechtes Omen für die Tour. Zur Trauerbewältigung habe ich erst einmal Wäsche gemacht und ein nicht befriedigendes Essen beim „Mexikaner“ nebenan zu mir genommen.
Jetzt wird’s ländlich
Die nächsten Tage wird es immer ländlicher und die Abstände zwischen den Siedlungen immer größer. Mein nächstes größeres Ziel ist Phillipsburg, was aber über 200 Kilometer weg ist. Dort gäbe es zwei Motels – der Blick auf den Wetterbericht verdirbt mir die Lust aufs Campen. Allerdings soll ab morgen endlich Rückenwind wehen, unrealistisch wäre das Ziel also nicht. Anschließend geht es 500 Kilometer immer geradeaus auf der Route 36 und so richtige Übernachtungsmöglichkeiten kommen dann bis Denver nicht mehr wirklich. Davor habe ich schon etwas Respekt. Mal abwarten, wie weit ich morgen komme – Essenvorräte sind zur Sicherheit gut aufgefüllt.
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