Manchmal habe ich echt mehr Glück als Verstand: Nach einem quälend heißen Anstieg zum Grand Canyon National Park sagte man mir, es sei alles ausgebucht. Einen Schlafplatz hatte ich am Ende trotzdem.
Ein letztes richtiges Frühstück
Unerwartet früh weckte mich heute Morgen die Sonne – zumindest wenn es nach der Uhrzeit auf dem iPhone ging. Der zufolge war es erst halb sechs, da die Mobilfunkanbieter in diesem Teil des Reservats bereits die Arizona-Zeit ohne Sommerzeit senden. Entsprechend drehte ich mich noch einmal um, da ich mich mit Jannette erst auf halb acht zum Frühstück verabredet hatte. Als ich später bereits fast vollständig abfahrbereit in die Küche ging, war sie auch schon am Frühstück vorbereiten. Ich half ihr dann noch, das leckere Rührei mit Gemüse zu machen. Sowohl ein komfortables Bett als auch ein so leckeres, selbstgemachtes Frühstück werde ich die nächsten Tage wohl erst einmal nicht mehr genießen können. Dafür natürlich umso bessere Ausblicke. Pünktlich zum Abschied kam Travis auch wieder nach Hause, der in den frühen Morgenstunden bereits auf dem Feld war – die Felder bewirtschaften die Clans der Natives weiterhin neben ihren normalen Berufen. Es gibt also immer was zu tun, auch am Memorial Day.
Zurück in der Wüste
Tuba City selbst ist ja bereits recht sandig und trocken, aber sobald man die Stadtgrenze hinter sich lässt, ist man ziemlich schnell wieder zurück in der Wüste. Die ersten Kilometer bis zum Abzweig auf die Route 89 vergingen trotz der schönen Aussichten auf die Felsformationen am Straßenrand sehr zügig, da es nur bergab ging. Eigentlich geht es dann auf der ziemlich dicht befahrenen Route 89 bis Cameron auch weiter bergab, doch hier hatte ich plötzlich wieder einen guten Gegenwind. Einerseits war der wieder eine willkommene Kühlung, denn trotz der frühen Uhrzeit stiegen die Temperaturen bereits wieder schnell in Richtung 30 °C an. Andererseits wäre ich gerne schneller vorangekommen, da ich doch so langsam leichte Sorgen wegen eines Campingplatzes kriegte. Immerhin war ein Großteil der Fahrzeuge, die mich überholten, Touristen in Campern.
Auf zum Grand Canyon
Wie erwartet ging es ab Cameron dann plötzlich gut bergauf. In der Kombination mit Gegenwind eine elendige Angelegenheit, doch bis zum Abzweig Richtung Grand Canyon war es nicht mehr weit. Die Aussicht auf Seiten- oder gar Rückenwind motivierte noch einmal für die letzten Meter im Wind – und tatsächlich: Kaum abgebogen, erhielt ich sogar leichte Unterstützung vom Wind. Die State Route 64, die zum Nationalpark hochführt, war schon deutlich weniger befahren. Dafür kamen mir ein paar Radfahrer entgegen – ein Paar wünschte mir „Good luck!“, was mich noch etwas mehr nervöser werden ließ. Meinten Sie den Anstieg? Oder die Suche nach einem Campingplatz?
Kampf in der Hitze
Die erste Hälfte ging es nur sanft bergauf, es ließ sich im Wind angenehm rollen. Vorbei an einigen Ständen, an denen die Natives ihre Souvenirs verkauften, stieg ich jetzt wieder immer höher. Irgendwann überschritt ich wieder die 2.000m-Grenze und es wurde plötzlich auch steiler – und zusätzlich leider auch immer heißer. Es half nichts: Ich kämpfte mich also bei 38 °C die bis zu 7% steilen Anstiege hoch, während mich ein Wohnmobil nach dem anderen überholte. Für dieses Stück brauchte ich eine gefühlte Ewigkeit. Zwischendurch füllte ich meine Wasserflaschen bereits mit dem Reserve-Vorrat auf. Am liebsten hätte ich sofort alles ausgetrunken.
Alles ausgebucht
Einen kurzen Abstieg und einen weiteren, langgezogenen Anstieg später änderte sich dann schließlich das Landschaftsbild um mich herum: Aus der Steppe wurde plötzlich ein kleiner Wald, der Kaibab National Forest. Auch hier zog sich der Anstieg noch einmal etwas hin, ehe ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich das Eingangsschild zum Grand Canyon National Park passierte. Auch jetzt dauerte es noch etwas, ehe ich den eigentlichen Parkeingang erreichte. Ich quälte mich also noch die letzten Kilometer durch, ehe ich die 15 Dollar Eintritt bezahlen durfte. Die Frau am Eingang erklärte mir auch direkt, dass alle Campingplätze ausgebucht seien. Ich meinte daraufhin, dass es doch noch den Walk-In-Bereich für Fahrradfahrer und Wanderer geben würde – doch auch der sei „ohne Ausnahme voll“. Das war natürlich nicht das, was ich hören wollte – zumal ich mich trotz der langen Anstiege beeilt hatte und es gerade erst 14 Uhr war. Der Desert View Campground, der ja mein eigentliches Ziel war, soll laut der Frau wohl schon seit zwei Stunden voll sein.
Der letzte freie Platz am Grand Canyon
Ich überlegte also schon einmal Alternativen – im Notfall wieder raus aus dem Park und kurz davor irgendwo campen. Im Nationalpark selbst ist das Campen nämlich nur auf den offiziellen Plätzen erlaubt. Aber ehe es dazu kommen würde, wollte ich wenigstens einmal alle anderen Alternativen checken. Ich bereitete mich also schon einmal darauf vor, auf dem Desert View Campground die Camper zu fragen, ob sie ihren Platz mit mir teilen würden. Weiterfahren wollte ich nämlich eigentlich nicht, dafür war ich zu kaputt. Also vorbei an den Schildern, auf denen „Campground full“ stand, und rauf auf den Platz. Dort fragte ich direkt das erste Paar, dem ich begegnete. Doch die waren nicht so begeistert und verwiesen mich auf den Campground Host (wie wird man das eigentlich?), der direkt nebenan hauste. Dem wollte ich gerade mein Schicksal erklären, als er mir sagte, die 40 wäre doch noch frei. Ich also schnell hin und siehe da: Tatsächlich hing hier noch kein Schild „Occupied“ am Platz. Mein Tag war gerettet.
Mehr Glück als Verstand
Jetzt schaltete ich innerlich erst einmal einige Gänge zurück. Setzte mich kurz hin, um etwas zu essen, ehe ich zurück zu den Toiletten ging, um meine Platzgebühr für die Nacht zu bezahlen. Dann gab es vom Host auch schon das besagte „Occupied“-Schild, das ich stolz an meine Platznummer hing. In Ruhe baute ich mein Zelt auf und lernte meine holländischen Nachbarn kennen – ein junges Paar, das gerade einen Roadtrip mit dem Auto durch den Westen der USA macht. Auch die beiden fahren noch nach Vegas. Als bei mir alles stand, konnte ich es natürlich kaum noch erwarten, endlich auch den Grand Canyon zu sehen. Der Viewpoint ist ja quasi direkt um die Ecke, und auch wenn man von hier nur das östliche Ende des Grand Canyons sehen kann, ist der Ausblick schon gewaltig. Wobei es gar nicht so leicht war, zwischen den ganzen Massen an Touristen, auch vielen deutschen, seinen Weg zu bahnen.
Plötzlich am großen Zwischenziel
Da war er also nun. Der sagenumwobene und allseits angepriesene Grand Canyon – eins meiner großen Etappenziele. Ich weiß noch, wie ich vor einigen Wochen beim Blick auf die Karte zu mir sagte: „Wenn ich erst einmal am Grand Canyon bin.“ Und jetzt war ich hier – das musste ich irgendwie erst einmal realisieren. Zur Sicherheit checkte ich Google Maps ab. Ja, ich war tatsächlich hier, und beim Blick auf meinen zurückgelegten Weg wurde mir auch jetzt erst klar, wie weit ich schon gekommen bin. Meine paar Ruhetage am Grand Canyon habe ich mir also mehr als verdient – vorausgesetzt, morgen klappt alles am Mather Campground.
Besuch vom Elch
Zum Abendessen machte ich mir dann Nudeln – dieses Mal mit Tomatensauce aus einem Glas mit Schraubverschluss, ich lerne aus meinen Fehlern – ehe ich noch einmal zum Aussichtspunkt ging, da eine Rangerin eigentlich eine Präsentation über Musik der Natives angekündigt hatte. Doch da sie auch nach 20 Minuten nicht auftauchte, genoss ich einfach noch einmal den Ausblick, der jetzt im Sonnenuntergang noch einmal ganz anders war. Danach ging’s zurück zum Zelt, denn ich wollte endlich schlafen. Der Campingplatz hier ist, obwohl es keine Duschen gibt, auch sehr schön – vor allem sehr naturnah. So naturnah, dass mich sogar noch ein Elch besuchte. Netz habe ich hier übrigens leider so gut wie gar nicht, weshalb ihr diesen Artikel jetzt etwas verspätet lesen müsst.
Die Etappe auf Strava
Kurzes Update am Ende:
Habe es auch bereits zum Grand Canyon Village geschafft und war wieder mal ein Glückspilz. Mir wurde meine Reservierung auf die Bike-Site umgebucht, die nur 6 Dollar/Nacht kostet. Den Rest kriege ich wieder erstattet. Bis Samstag bleibe ich jetzt also erst einmal hier und versuche, meine vierte gebrochene Speiche (heute nach fünf Kilometern Fahrt…) irgendwie repariert zu kriegen. Mein Netz funktioniert hier nicht und W-Lan scheint auch ein rares Gut zu sein. Den nächsten Artikel gibt’s also eventuell auch etwas verspätet.