Fast komplett trocken ging es heute über den Lizard Head Pass, der atemberaubende Ausblicke bot. Belohnt wurde ich anschließend mit einem warmen Bad in einer heißen Quelle.
Der Weg aus der Kälte führt durch Kälte
Blick aus dem Fenster: Immerhin schneit es nicht mehr. Dafür weckte mich heute aber das Prasseln des Regens gegen die Scheiben. Beim Frühstück boten mir Hillary und Max dann auch an, dass ich gerne noch einen Tag länger bleiben könnte. Doch so verlockend das Angebot auch war, wollte ich meinem Host für heute nicht noch einmal eine Verspätung zumuten. Außerdem wollte ich zurück ins warme Tal – auf kalte Temperaturen und Schnee war ich nicht vorbereitet. Nach einem leckeren Omelette von Max ging es also wieder aufs Rad. Der Regen hatte passenderweise gerade aufgehört und sogar die Sonne zeigte sich wieder. Das musste schnell ausgenutzt werden. Aus Telluride ging es zum Glück erst einmal leicht bergab auf einem schönen Radweg heraus, während links und rechts auf den Wiesen der Schnee schon wieder verschwand.
Bergauf, bergab – und wieder bergauf
Kaum zurück auf dem Highway, von dem ich gestern im Schneesturm „gerettet“ wurde, begann der erste steile Anstieg. Zwischendurch ging es zwar wieder etwas bergab, es folgte meist aber ein noch steilerer Anstieg. Belohnt wurde die Quälerei aber mit fantastischen Ausblicken. Vom Schneesturm gestern war plötzlich auch keine Spur mehr. So friedlich sah die Gegend wenige Stunden zuvor noch nicht aus.
Der letzte große Anstieg
Kurz vor dem Gipfel des Lizard Head Pass kamen ein paar Hagelkörner herunter, aber nach weniger als einer Minute gab es bereits wieder Entwarnung. Mit Vorfreude auf das bessere Wetter auf der anderen Seite des Berges kämpfte ich mich noch die letzten Meter hoch. Auch die Aussicht darauf, dass das jetzt der letzte große Anstieg meiner Reise sein würde, motivierte noch einmal. Fast etwas wehmütig genoss ich dann den Moment, oben angekommen zu sein. Von jetzt an würde es bis Arizona nur bergab gehen – fast zumindest. Die ersten Meter bergab wehte mir der Wind plötzlich wieder gut entgegen und wollte mir den Spaß an der Abfahrt nehmen. Abschnittsweise ging es dann wieder – so richtig wusste der Wind wohl nicht, was er wollte.
Auf zur heißen Quelle
Als es sich gerade gut bergab rollte, musste ich doch abrupt abbremsen: Rico war in Sichtweite, das hieß, dass ich nach der Einfahrt zu den heißen Quellen Ausschau halten muss. Die sollte nämlich etwas versteckt sein. Doch ich fand sie relativ schnell, stellte mein Rad oben an einem Baum ab und machte mich mit meinem Versuch, einen steilen und steinigen Pfad mit meinen Rennrad-Schuhen herunterzuklettern zum Deppen. Zum Glück sah mich nur ein Paar, das gerade an der heißen Quelle war, aber kurz nach meiner Ankunft und einer kleinen Plauderei auch schon ging. Schnell Badehose an und rein ins warme Vergnügen. Und das war wirklich warm! Ich spürte, wie mein Körper sich förmlich wieder bis in die letzte Zelle aufwärmen konnte.
Nette Gesellschaft im sprudelnden Wasser
Irgendwie ein kurioses Bild: Da sitzt man im sehr warmen Wasser, neben einem sprudelt und speiht es ständig heißes Wasser und heiße Luft und im Hintergrund sind die schneebedeckten Rockies. Kein Wunder, dass man an so einem angenehmen Ort nicht lange allein ist: So kam wenige Minuten später eine junge Fotografin, Amy, den Berg heruntergekrakselt und gesellte sich zu mir. Kurz darauf folgte ein Ehepaar, das ebenfalls Entspannung suchte. Amy erzählte, dass sie als Fotografin in Colorado unterwegs war und auf dem Rückweg nach Flagstaff in Arizona einen Platten hatte und dann noch im Schneesturm gestern gefangen war. Da die Fahrt jetzt eh schon länger dauerte, legte sie einfach eine Pause mehr ein und wollte die heißen Quellen besuchen. Janet und Travis, das Ehepaar, war bereits öfter hier – Travis nutzte das natürliche Bad zum Erholen von einer Schulter-OP.
Per Zufall zur nächsten Unterkunft
Später kamen wir auch auf meinen Radtrip zu sprechen – mein vollbepacktes Rad war auf dem Parkplatz nicht zu übersehen. Als es darum ging, über welche Strecke ich zum Grand Canyon kommen würde, erwähnten Janet und Travis, dass sie zufällig in meinem Etappenziel für Sonntag – in Tuba City – leben würden, und boten mir direkt an, dass ich dann bei ihnen übernachten kann. Ein Hoch auf den Zufall! Noch schnell Nummern ausgetauscht, und dann ging es nach erholsamen zwei Stunden mit aufgeweichten Fingern wieder zurück aufs Rad. Das Bad tat so gut, dass ich die nächsten Kilometer nur schwer wieder in den Rhythmus kam. Eigentlich wollte ich in Rico eine Mittagspause einlegen und mich stärken, doch die beiden Restaurants im Ort hatten zu. Und das zur Mittagszeit? Also ging es notdürftig mit Bananen und Müsliriegeln gestärkt weiter.
Flucht vor dem Gewitter
Und wieder spielte der Wind verrückt. Die folgende Stunde von Rico aus hatte ich puren Gegenwind. Leider ging es auch nur noch mäßig bergab, so dass es wieder nur im Schleichtempo voran ging. Passenderweise kamen plötzlich ein paar Regentropfen vom Himmel. Ich wollte also einen Zahn zulegen, um vor dem Schauer zu fliehen – mit Erfolg. Überhaupt schien ich mit dem Wetter sehr Glück gehabt zu haben: Auf einigen Abschnitten waren die Straßen komplett nass und mit Pfützen übersät. Hier muss es nur wenige Minuten vor meinem Eintreffen stark und heftig geregnet haben. Wie durch eine unsichtbare Grenze getrennt wechselte es dann in einer geraden Linie von Nass wieder auf Trocken.
Belinda und Dave
In meinem Hintergrund fing es plötzlich an zu Blitzen und zu donnern. Und passenderweise wechselte der Wind genau in diesem Moment die Richtung, so dass ich fast bis zu meinem Ziel in Dolores wieder Rückenwind hatte und die letzten 30 Kilometer nur so im Flug verflogen – immer auf der Flucht vor den dunklen Wolken hinter mir. Ich hatte Glück: Bis auf ein paar Tropfen blieb ich trocken. So ging es noch einmal einen letzten Anstieg hinter Dolores hoch, ehe mich ein atemberaubender weiter Ausblick bis nach Arizona überraschte. Den gab es auch noch am Haus meiner Hosts Dave und Belinda, bei denen ich heute Nacht schlafe. Während Belinda ein leckeres Abendessen vorbereitete, zeigte Dave mir in seiner Werkstatt, woran er gerade arbeitet: Er baut sich sein eigenes Paddelboot – das sich bereits sehr sehen lassen konnte. Viele spannenden Geschichten über Radtouren, Donald Trump, Franzosen und Campingplätzen später geht es jetzt ins Bett.
Vorbereitungen für zwei Tage im Nichts
Morgen geht es zuerst einmal noch durch Cortez, wo ich mich im Walmart gut mit Essens- und Getränkevorräten ausstatten will. Denn die nächsten zwei Tage werde ich durch Niemandsland fahren. Bis auf ein paar Mini-Siedlungen, die höchstens mit Tankstellen ausgestattet sind, kommt nämlich nichts – abgesehen vom Four States Corner, den ich morgen ebenfalls passieren werde. Also bitte keine Ausnahmezustände ausrufen, wenn morgen kein Artikel erscheint – das wird dann nachgeholt, wenn ich wieder Netz und Internet habe. Hoffentlich bereits am Sonntag Abend in Tuba City.
Die Etappe auf Strava