Nach einer sehr kurzen und nicht ganz bequemen Nacht im Zelt sollte es heute weiter durch das ländliche Pennsylvania gehen. Der nötige Schlaf dafür wurde mir leider von der auch bei Nacht sehr aktiven Klimaanlage geraubt, die irgendwie alle halbe Stunde anging. Irgendwann ging dann die Sonne auf, also wollte ich mich auch fertigmachen.
Duschen ohne Dusche
Auf der einen Seite ist es in der Nacht sehr kalt geworden, auf der anderen habe ich im Schlafsack trotzdem gut geschwitzt. Ich wollte mich also wenigstens etwas frisch machen. Nach kurzem Überlegen griff ich zur Wasserflasche: Kurz etwas die zu säubernden Stellen befeuchten, mit einem Tropfen Duschgel einreiben, mit ein bisschen Wasser wieder abspülten und dann abtrocknen. Es reichen also auch 100 Milliliter zum Duschen. Das Abbauen des Zeltes lief danach auch wie geschmiert, gegen halb neun machte ich mich dann also halbwegs frisch wieder auf den Weg.
Trump auf der Toilette
Zuerst ging es in das nur wenige Kilometer entfernte McDonalds – Frühstück. Außerdem konnte ich hier die sanitären Einrichtungen nutzen. Ein paar Tische weiter von mir saßen zwei Jungs in meinem Alter, der eine guckte sich anscheinend gerade eine Rede von Donald Trump in voller Lautstärke auf dem Tablet an. Nachdem sich der eine Freund dann beschwerte, dass er Trump nicht mag, musste der andere auf die Toilette flüchten, um sich die Rede weiter anzuhören. So genoss ich bei meinem Toilettengang ebenfalls die wunderbaren lyrischen Künste des Präsidentschaftskandidaten. Auszug (voran ging eine Aufzählung aller Staaten, die „great“ sind): „Pennsylvania has some problems. But I will solve them. Two problems are jobs and poverty. Thanks guys, you are the best!“ (Applaus)
Platten in East Berlin
Dem musste ich schnell entfliehen. Weiter ging es mit der Durchquerung von York. Hier gab es wieder mal nicht viel Spannendes zu sehen. Das nächste Highlight stand etwa 30 Kilometer hinter der Stadt an: Eine Siedlung namens „East Berlin“. Hier wollte ich unbedingt ein Foto schießen. Bereits kurz hinter York rollte es ich wieder sehr gut, der strahlend blaue Himmel trug seinen Anteil bei. Voller Zufriedenheit dachte ich mir noch: „Wahnsinn, jetzt schon die vierte Etappe ohne Platten.“ Schicksal? Kurz vor East Berlin war der Hinterreifen dann platt. Ein kleiner Metallring hatte sich durch den Mantel gebohrt und den Schlauch von innen quasi „festgetackert“.
Neuer Motivationsschub
Jetzt war meine Motivation etwas gesunken. Dazu kam, dass das ständige Auf und Ab an den Hügeln das Vorankommen nicht gerade einfacher machte. Einige Anstiege waren wieder sehr knackig. Zurück kam die Motivation dann durch eine simple Geste: Ein entgegenkommender Pick-Up hupte mich an und jubelte mir zu. Wahnsinn, wie so eine kleine Geste plötzlich all die Energie wieder in die Beine zaubern kann.
Der erste richtige Berg
Und die brauchte ich für die nächsten Kilometer auch. Ohne es richtig zu bemerken, ging es jetzt immer weniger ab und immer mehr auf. Einen Unterschied merkte ich eigentlich erst, als die Straße viel leerer und die Temperatur immer höher wurden und die dichten Nadelwälder Obstplantagen an Hängen wichen. Die Landschaft wurde immer schöner und irgendwann überholte mich kein Auto mehr. Auch der Ausblick wurde immer besser, nur musste ich recht hart dafür kämpfen: 12% Steigung zeigte mein Garmin an einem der steilsten Stücke. Trotz der ganzen Anstrengungen war das wohl der schönste Teil der heutigen Etappe.
Planänderung
Jetzt ließ es sich noch einige Zeit größtenteils entspannt herunterrollen. Größtenteils, weil das typische hügelige Pennsylvania natürlich trotzdem noch einige kurze Anstiege bereithält. Den ersten richtigen Berg der Appalachen hatte ich also geschafft. Jetzt folgte ein nicht ganz so spannender Part auf der dicht befahrenen Route 30. Hier machte ich kurz Pause, um ein paar Sachen zu checken: Erstens wollte ich wissen, ob meine geplante Route weiter der BicyclePA Route S folgen würde, der ich jetzt schon seit kurz hinter Philadelphia folge. Und zweitens: Gäbe es auch einen Warmshowers-Host, wenn ich der Route weiter folgen würde? Ich fand einen und entschied mich also spontan, den Plan zu ändern. Es war noch recht früh und so wollte ich doch nicht den kleinen Schwenker nach Hagerstown wagen, sondern weiter dem Radweg folgen.
Eine Planänderung kommt selten allein
Jetzt musste ich nur noch Chambersburg durchqueren und kurz dahinter rechts abbiegen. Vor der Stadt wurden vorsichtshalber noch einmal Bananen und Studentenfutter bei ALDI gekauft. Der Host, den ich angeschrieben hatte, war eine Familie, die genügend Platz zum Campen und natürlich eine Dusche versprachen. Leider hatte ich hinter der Stadt kein Netz mehr und konnte so nicht checken, ob sich der Host gemeldet hatte. Ich fuhr also erst einmal in die richtige Richtung und bog ab. An einer Stelle hatte mein Handy dann tatsächlich wieder Netz gefunden – und brachte direkt eine Absage. Also umdisponieren: Zurück zur Route 30 und der Radroute folgen.
Wieder auf der Suche nach einer Unterkunft
Nur bis wohin? Ich hatte ein paar State Game Lands in der Umgebung gefunden, das würde es zur Not tun. Aber noch eine Nacht ohne Dusche? Ich wollte auch gerne meine Radklamotten waschen. Ein Blick auf Warmshowers, Airbnb oder die Google-Suche nach Motels war ernüchternd. Letztendlich fand ich aber den Cowans Gap State Park, der auch einen Campingplatz hatte.
Ein letzter Anstieg
Der Weg dahin fiel mir dann gar nicht mehr so leicht. Bei jedem Anstieg brannten die Oberschenkel, immerhin steckten schon über 1.000 Höhenmeter Aufstieg an diesem Tag in den Beinen. Dann noch eine Ernüchterung: Der State Park befindet sich anscheinend auf einem der nächsten Höhenzügen der Appalachen. Also wieder einige Kilometer nur bergauf. Als irgendwann auf dem Garmin der See des Parks aufauchte, gab ich noch einmal alles. Gut bedient kam ich an, der Park Ranger war aber bereits weg und sein Büro zu. Es gab aber Briefumschläge für Spätankommer. Nett wie ich bin habe ich tatsächlich auch meine „Liegegebühr“ in den Briefkasten getan und mein Zelt aufgebaut. Die anschließende Dusche hatte ich dann mehr als nötig. Meine Wäsche habe ich gleich auch noch im Waschbecken gewaschen.
Porridge zum Abendbrot
Während die jetzt draußen am Rennrad auf Philipps nützlicher Wäscheleine trocknet, liege ich hier frisch im Schlafsack. Eben habe ich noch meinen Camping-Kocher ausprobiert und Porridge gemacht – sehr vorzüglich. Und da ich hier inmitten der Natur tatsächlich gar kein Netz habe, werde ich den Artikel also erst wieder bei Netz (und Strom) posten können – entschuldigt also die Verspätung.
Die Etappe auf Strava