Nachdem ich mich gestern schon bis Salida vorgearbeitet hatte, stand heute „nur“ noch der Monarch Pass auf dem Programm, um den höchsten Punkt der Tour zu erreichen. Und das ging am Ende sogar einfacher als gedacht.
Mal wieder etwas ausschlafen
Wieder einmal muss ich sagen: Bei Warmshowers-Hosts schläft es sich einfach am besten. So genoss ich nach einem leckeren Abendessen in der Downtown Salida zusammen mit Harry und Myra gestern wieder einmal ein bequemes Gästebett mit eigenem Badezimmer – und mit fantastischem Ausblick über die Rockies. Das nutzte ich auch direkt aus und schlief etwas länger als gewöhnlich, schließlich standen heute nur etwa 100 Kilometer (dafür aber auch 1.000 Höhenmeter) an. Noch vor dem Frühstück gab mir Harry noch einen Insider-Tipp, wie ich die dicht befahrene Route 50 zumindest für einige Kilometer gekonnt umfahren konnte. Dann verabschiedete sich Harry schon von mir, denn er hatte sich bereits für eine Radausfahrt mit Freunden verabredet. So saß ich noch mit Myra beim Frühstück und machte mich dann gut gestärkt später auch auf den Weg.
Start mit müden Beinen
Die ersten Kilometer fühlten sich meine Beine leider noch recht schwer an, so dass ich erst einmal ganz langsam in den Tag startete. Da das Thermometer beim Frühstück noch kühle Temperaturen ansagte, hatte ich mich warm mit Arm- und Beinlingen eingekleidet – die konnte ich jedoch bereits kurz hinter Salida wieder ausziehen, da die Sonne wieder gute Arbeit erledigte. Mittlerweile hatten sich auch meine Beine wieder an das Treten gewöhnt, so dass ich die ersten kleineren Anstiege schnell hinter mich lassen konnte. Die ersten Kilometer ging es eher flach bergauf, teilweise sogar wieder etwas bergab – ähnlich der gestrigen Etappe. Und dann pendelte sich der Anstieg ziemlich schnell bei etwa 5-6% ein und ging von nun an weitestgehend gleichmäßig bergauf. So ließen sich die Höhenmeter bequem erklimmen.
Entspannt bergauf
Zum Vergleich: In den Appalachen hatte ich Anstiege von über 12%, die waren aber auch meist nur recht kurz. Und so radelte ich mit einem unerwartet ruhigen Puls den Monarch Pass hoch. Zwar schaltete ich nach kurzer Zeit bereits in den kleinsten Gang, aber so war ich trotz der vielen Kilogramm an Gepäck immer noch schneller unterwegs, als wenn ich sonst ohne Gepäck den Hermann hochfahre. Und so bereute ich es auch nicht, mich für die zwar etwas längere, steilere und höhere Route über diesen Pass entschieden zu haben. Die Alternative wäre nämlich eine etwas südlichere Route gewesen, die die Rockies gut umfahren und nur einen etwas niedrigeren Anstieg enthalten hätte – und sogar noch ein paar Kilometer kürzer gewesen wäre. Doch aufgrund der Landschaft hatte ich meine Route in Denver dann doch über diesen Teil der Rockies geplant.
Wiedersehen mit Lionel
Erinnert Ihr Euch noch an Lionel, den ich mitten in Kansas getroffen habe und mit dem ich eine halbe Etappe gefahren bin? Auf Facebook sind wir in Kontakt geblieben und so wusste ich, dass er heute auch den Monarch Pass bestreiten würde. Und tatsächlich: Im letzten Viertel des Anstiegs sah ich plötzlich wieder einen Radfahrer vor mir. Ich holte ihn schnell ein und wir freuten uns, uns wiederzusehen. Dennoch vereinbarten wir kurz, dass jeder noch in seinem eigenen Tempo weiterfährt und ich dann oben auf ihn warte. Weit war es jetzt nicht mehr.
Höher als die Zugspitze
Nach ein paar Kurven, ein paar Schweißtropfen mehr und dem Passieren des Skigebietes, das leider schon geschlossen hatte, erreichte ich dann endlich den Gipfel. Zu erkennen vor allem an dem Touristen-Shop – neben einer weiteren Seilbahn das einzige Gebäude hier oben. Jetzt hatte ich es tatsächlich geschafft: Ich war auf einer Höhe von 11.312 Feet – 3.448 Meter. Zum Vergleich: Die Zugspitze ist 2.962 Meter hoch, das Stilfser Joch in Südtirol 2.757 Meter. Ein großartiges Gefühl, diesen Meilenstein erreicht zu haben. Wäre meine Tour Teil einer RTL-Doku, wäre in diesem Augenblick wohl „On Top Of The World“ von Imagine Dragons eingespielt werden (neben viel Melanie C natürlich).
Aufwärmen im Touristen-Shop
Dass die Luft hier oben dünner wird, habe ich nicht wirklich gemerkt – schließlich hat man sich die Höhe ja langsam erkämpft. Allerdings wurde es plötzlich kalt und windig, weshalb ich mich schnell in den Touri-Shop begeben habe, um dort auf Lionel zu warten. Gleichzeitig habe ich mich mit einem warmen Bretzel und einer heißen Schokolade wieder aufgewärmt und auch für den Höhepunkt (im wahrsten Sinne des Wortes) belohnt.
Mit natürlicher Bremse auf die Abfahrt
Um im kalten Wind während der Abfahrt nicht auszukühlen, haben Lionel und ich uns erst einmal wieder warm eingekleidet. Mit Arm- und Beinlingen und Windjacke bestückt wagten wir uns auf den „fun part“, wie es die Verkäuferin im Touri-Shop sagte. Doch so schnell wie erwartet wurden wir gar nicht – der Wind blies ziemlich stark bergauf, so dass wir eine natürliche Bremse hatten und unsere eigenen am Rad gar nicht benutzen mussten. Höchstens zwischendurch mal, um die weitläufigen Ausblicke über das gesamte Tal Richtung Westen zu genießen und ein paar Fotos zu schießen.
Mit starkem Wind nach Gunnison
Kurz hinter dem steilen Stück der Abfahrt verabschiedete ich mich bereits wieder von Lionel – er bleib hier auf einem Campingplatz, um den Nachmittag für eine ausgiebige Wäsche zu nutzen. Für mich standen noch etwa 50 Kilometer bis Gunnison an, wo ich ja bereits einen Warmshowers-Host kontaktiert hatte. Ich hatte mir eigentlich vorgestellt, jetzt einfach schön leicht bergab rollen zu können – doch dank des starken Windes wurde daraus natürlich nichts. Mal bremste er mich von der Seite, meistens aber von vorne aus. So schlimm wie auf der Etappe nach Colorado Springs war es zwar nicht, aber dennoch war ich am Ende gut bedient und froh, in Gunnison bei Brian angekommen zu sein. Der nahm mich direkt herzlich in Empfang. Sein Haus steht direkt hinter seiner Autowerkstatt, in die er noch einmal für zwei Stunden zurück musste. Nach Feierabend gingen wir noch kurz etwas Essen und wir erzählten uns beide viel über unsere beiden Radreisen – Brian ist letztes Jahr 6.000 Meilen durch die USA gereist. Erst auch von der Ost- zur Westküste, allerdings weiter nördlich, und dann noch weiter Richtung Salt Lake City.
Weiter im Gegenwind
Für Morgen bin ich mir noch nicht wirklich sicher, wie weit ich kommen will. Ein Warmshowers-Host in Ridgway, den ich angeschrieben hatte, ist leider nicht in der Stadt. Das wären allerdings auch 150 Kilometer gewesen, auf denen der ein oder andere Anstieg liegen. Außerdem ist wieder mal starker Gegenwind angekündigt. Ich habe also sicherheitshalber einen Host in Montrose angeschrieben, was nur etwa 100 Kilometer wären. Sollte das nicht klappen, gucke ich einfach mal, wo ich morgen enden werde. Vor Ridgway gibt es einige Camping-Möglichkeiten – sogar einen Camping-Platz mit heißen Quellen, der ist aber leider auch sehr teuer.
Die Etappe auf Strava
Eine Antwort auf „Am höchsten Punkt der Tour“
[…] die Zehntausend vollzumachen. An den höchsten Anstieg aus 2016, der mich in den Rockies auf 3.448 Meter über den Meeresspiegel und damit höher als die Zugspitze führte, werde ich hier in Europa wohl ebenso wenig herankommen […]