Ich habe es wieder getan: Ich habe Berlin einmal komplett umrundet. Nachdem ich diese Tour bereits im März einmal gemacht habe, zog es mich jetzt bei wieder auf den Rundkurs. Dieses Mal allerdings mit 20 Grad mehr als im Frühjahr und mit einem etwas größeren Radius.
Abenteuer 200+
Der Ursprung für den zweiten Anlauf war dieses Mal nicht die Route an sich, sondern das Ausprobieren von langen Distanzen über 200 Kilometern. Die Vorteile an einem Rundkurs und besonders an einem um Berlin liegen klar auf der Hand: Man muss sich um den Weg zurück keine Sorgen machen, hat entsprechend keinen Stress oder Zeitdruck, spart sich ein teures Bahnticket und vor allem: Man kann jederzeit abbrechen, in dem man „rechts ranfährt“ und recht schnell wieder in Berlin und damit an einem S- oder U-Bahnhof ist. Besonders bei diesem heißen Sommerwetter wollte ich kein Risiko eingehen und nicht irgendwo mitten in Brandenburg verdursten.
Brückenbaustelle? Come on…
Der Plan, früh zu starten, wurde durch meinen Aufholbedarf an Schlaf schon einmal direkt verworfen. Es ging also erst recht spät um halb 11 los, als das Thermometer bereits an der 30° C-Marke kratzte. Noch schnell meinen neuen 5kg-Beutel Maltodextrin geöffnet, in den Trinkflaschen mit dem Instant-Tee zum Flowbiker Spezial-Bräu vermischt und los ging’s. Die ersten Kilometer verflogen wieder recht schnell und Potsdam ließ nicht lange auf sich warten. Hinter der Landeshauptstadt ging es dann in unbekannte Gefilde und ich musste meinen Planungskünsten auf gpsies vertrauen. Gerade als ich mir selbst für die schöne Strecke durch weitläufige „Weinberge“ auf die Schulter klopfen wollte, der erste Schreck: Baustelle, Sackgasse. Da ich mich von Baustellen eigentlich nie beeindrucken lasse, rollte ich erst einmal weiter. Auf dem Garmin tauchte aber plötzlich ein Kanal auf, den es zu überqueren galt. Kräne an der vermeintlichen Brücke ließen mich nichts gutes Ahnen. Doch da weit und breit kein Bauarbeiter in Sicht war, ging es schnell am Bauzaun vorbei über die gesperrte Behilfsbrücke.
Jenseits der A10
Die folgenden Kilometer kämpfte ich vor allem mit dem Gegenwind. Meine Motivation: Auf dem Rückweg würde sich der Nordwind in Rückenwind verwandeln. Zum Glück gab es entlang der A10 genügend Waldabschnitte, die mir guten Windschatten boten. Etwa bei km 85 waren meine Trinkflaschen schon gut aufgebraucht und ich legte in Vehlefanz meine erste Standard-Tankstellenpause ein. Ich weiß gar nicht, wann ich das eingebürgert habe, aber an Tankstellen lässt es sich wunderbar pausieren: Das Rad immer im Blick, die Cola eisgekühlt und meist mit Toilette, falls man mal die Flasche von klebrigen Malto-Resten oder sein Gesicht von Schweiß befreien will.
Der endlose Parkplatz
Ab jetzt ging es mehr östlich und der Wind war von der Seite bereits viel erträglicher. Teilweise hatte ich sogar bereits Rückenwind, da der Wind sich mehr zum Nordwest-Wind entwickelte. So konnte ich Oranienburg und damit (fast) die Hälfte der Tour schnell passieren und machte mich nun auf den östlicheren Teil der Strecke. Vor Bernau traute ich meinen Augen kaum: Da gab es einen kilometerlangen Parkplatz direkt neben der Straße, der wohl für das Gebiet um den Liepnitzsee gedacht war. Tausende Berliner strömten hier aus der Stadt hin und belegten jeden einzelnen der endlosen Parkplätze – so was gibt es nur in an der Großstadt.
Hungerast hinter Bernau
Hinter Bernau fiel ich plötzlich in ein tiefes Loch. Meine Beine machten schlapp, es war wahnsinnig heiß und ich wollte eigentlich auf der Stelle stehen bleiben. Das machte ich dann auch, legte mich erst einmal für eine Viertelstunde auf den schattigen Radweg und genoss meinen Energieriegel. Kurz dachte ich sogar darüber nach, zurück zum S-Bahnhof Bernau zu fahren, aber nach ein paar Minuten ging es mir wieder besser. Nach ein paar Kilometern im Sattel fühlte ich mich dann wieder gut und meine Energiereserven waren vorerst wieder gefüllt. Die Strecke bog jetzt zum Glück Richtung Süden ab und die Straßen waren schön leer – hier ließ es sich wunderbar auch bei einem Tempo über 30km/h rollen.
Schon wieder Baustelle
Hinter Altlandsberg dann das nächste Baustellenschild: Die nächste Ortsdurchfahrt sei voll gesperrt. Da ich ausnahmsweise mal kein Risiko eingehen wollte, entschied ich mich für die Umleitung. Blöderweise ging die über eine Schnellstraße, die zwar behelfsmäßig „umgewidmet“ wurde, aber die Autofahrer trotzdem nicht vorm knappen und schnellen Überholen abhielt. Als ich dann endlich abbiegen konnte, nächster Schock: Wieder was gesperrt. Egal, dachte ich, Augen zu und durch. Mein Garmin errechnete mir meine eigene Umleitung, leider über die typischen Brandenburger Schwangerschaftsabbruchstraßen. Ich war froh, in Petershagen wieder Asphalt unter meinen Reifen zu haben. Jetzt ging es wieder fix weiter Richtung Süden. Rüdersdorf wurde noch einmal für eine Tankstellenpause genutzt, dann ging es in Eiltempo weiter nach Woltersdorf und Erkner.
Am Ende der Kräfte
Bereits vor Erkner merkte ich, dass mich meine Kräfte langsam verließen. Immerhin hatte ich mittlerweile knapp 170 Kilometer im Sattel. Aus Motivationsgründen entschied ich mich dann, auf mein Garmin nur noch die Karte und mein Tempo anzeigen zu lassen. Gefahrene und ausstehende Kilometer, Herzfrequenz und Schnitt waren mir jetzt egal. Wahrscheinlich auch wegen der Hitze lagen mir Bananen, Energieriegel und meine leckeren Malto-Gemische besonders schwer im Magen und mir wurde richtig übel. Kurzzeitig dachte ich, dass ich mich gleich übergeben müsste. Am S-Bahnhof Königs-Wusterhausen legte ich mich also erst einmal auf eine Bank, um mich auszuruhen. Die S-Bahn sah sehr verführerisch aus, andererseits wollte ich die Runde gerne voll machen. Noch knapp 35 Kilometer standen vor mir – wissend, dass ich jetzt nur noch mit Gegenwind zu kämpfen hätte. Nach einer halben Stunde raffte ich mich tatsächlich auf und fuhr weiter.
Gegenwind
Die letzten Kilometer waren der Horror. Meine Beine traten nur noch so vor sich hin und der Wind, der mittlerweile sehr stark und böig war, bremste mich enorm aus. Mit teilweise nur 20km/h schlich ich jetzt durch die Felder an Schönefeld vorbei. Zum Glück hatte ich jetzt nur noch einen Tunnelblick, der die Zeit etwas schneller vergehen ließ. Trotzdem schienen mir die letzten Kilometer endlos. Endlich zu Hause angekommen ging es für mich nur noch unter die Dusche und dann direkt ins Bett. Da lag ich nun: Fertig mit der Welt, mit Magen- und Beinkrämpfen – aber stolz auf die 220 geschafften Kilometer.
2 Antworten auf „Rund um Berlin 2“
Hallo, wieviele Kilometer waren es insgesamt?
Hallo Yvonne, diese Runde war 220 km lang, am Ende des Artikels findest du auch den Link zur Strava-Aktivität. Viel Spaß beim Nachfahren!