Das erste Event in den Alpen steht an – und damit eigentlich auch viel Bergtraining. Doch wie und wo macht man das im flachen Berlin?
Update 28.04.2020: Aufstieg zum großen Müggelberg hinzugefügt.
Update 22.10.2020: Zu den Links in der Übersicht Komoot-Highlights hinzugefügt.
Der Reiz der Alpen
Als Philipp und ich uns im Winter für den Gran Fondo Stelvio im Juni angemeldet haben, dachte ich mir noch: „Das ist ja noch ewig Zeit, um einige Male richtiges Bergtraining zu betreiben“. Immerhin gilt es beim Event auf 150 Kilometer zwei der berühmtesten Alpenpässe in Italien zu bewältigen. Erst Mortirolo, dann Stelvio – oder in Höhenmetern: 4.000, einmal der halbe Mount Everest.
Wo sind die Berge?
Bereits im Frühjahr habe ich mir deshalb überlegt, wie ich das Training für so viele Höhenmeter angehen kann. In Berlin bleiben einem eigentlich nur wenige Optionen: Autobahnbrücken (dank der A10 zur Genüge), die paar natürlichen oder künstlichen Berge in und um der Stadt oder eben die sogar etwas höheren Erhebungen im Norden (z.B. Oderbruch) oder Süden (z.B. Fläming) der Stadt.
Die Anstiege der Stadt im Vergleich
Da erstere recht langweilig und letztere nur mit großer Anfahrt zu erreichen sind, rückten bei mir die städtischen Anstiege in den Fokus, die ich anschließend einmal alle unter die Lupe genommen habe, um mir den besten Berg zum Training auszusuchen. Eins haben alle gemeinsam: Mit etwa 44 Höhenmetern kann man für Berlin vergleichsweise schnell Höhenmeter sammeln. Alle Unterschiede zeige ich im Folgenden auf – natürlich inklusive Höhenprofil. Weiter unten gibt es dann auch noch einmal den übersichtlichen Vergleich in Tabellenform.
Bergtraining im Grunewald: Havelchaussee und Karlsberg
Die Havelchaussee ist nicht umsonst eine der beliebtesten Trainingsstrecken in Berlin: Zwischen Wannsee und Wald lässt es sich entspannt und naturnah fahren, dazu warten einige kleinere Hügel auf ihre Besteigung. Der größte Anstieg auf der innerstädtischen „Küstenstraße“ ist der Karlsberg, besser bekannt als Auffahrt zum „Willi“. Den Spitznamen trägt der Grunewaldturm übrigens aufgrund seines Bauanlasses – der 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms.
Mit insgesamt 44 Höhenmetern auf langen 900 Metern kommt man hier jedoch im Schnitt gerade mal auf knapp fünf Prozent Steigung. Dazu kommt der recht dichte Autoverkehr besonders an sonnigen Wochenenden, wobei man ab und an auch von den historischen Doppeldeckerbussen überrascht wird. Ansonsten eignet sich die Havelchaussee durch die Kombination der verschiedenen Hügel in beide Richtungen recht gut für ein abwechslungsreiches und leichtes Bergtraining – gut auch zum Einfahren für unseren nächsten Kandidaten:
Bergtraining im Grunewald: Teufelsberg
Etwas versteckt im Grunewald findet man den künstlich errichteten Teufelsberg, bis 2015 immerhin die höchste Erhebung Berlins und bekannter Standort der ehemaligen US-amerikanischen Abhöranlage. Spannender für Radfahrer ist jedoch die sehr steile Auffahrt: Die durchgehend ziemlich gut geteerte Straße führt auf nur knapp 600 Metern ebenfalls 44 Höhenmeter hinauf. Für Abwechslung sorgen hier nicht nur ein paar mehr Kurven und sogar eine serpentine, sondern auch die kurzzeitig zweistelligen Steigungsprozente. Im Schnitt ist der Anstieg mit 8,4 % der steilste der hier gemessenen und macht ihn damit zu meinem persönlichen Sieger.
Weitere Vorteile: Eigentlich kaum Autoverkehr, da diese Straße offiziell für Autos gesperrt ist und meist auch noch Motivation durch weitere Rennradfahrer, die hier an Jens Voigts Hausberg trainieren. An Wochenenden kann es hier dann aber genau wie auf der Havelchaussee doch schon mal recht voll werden, auch Fußgänger oder Skateboardfahrer pilgern dann zu dieser Sehenswürdigkeit. Außerdem ein weiterer Nachteil: Die Anfahrt ist nicht unbedingt trivial, man muss recht große Umwege fahren, wenn man sein Rennrad nicht auf Waldwegen schmutzig machen möchte.
Bergtraining am Müggelberg
Vom Westen der Stadt in den Osten, genauer: In die Müggelberge. Das kleine Berliner „Gebirge“ beheimatet auch die höchste natürliche Erhebung der Hauptstadt, den Müggelberg. Auch hier hat man die Höhe für einen Aussichtsturm genutzt, mit dessen Besuchern man sich die kleine Auffahrt teilen muss. Unter der Woche ist hier verglichen mit dem Grunewald aber kaum etwas los, was diesen Aufstieg zum echten Geheimtipp für einsame Berg-Intervallsessions macht.
Mit fast sieben Prozent Steigung im Schnitt geht auch der Müggelberg gut in die Beine, auf 600 Metern erreicht man auch hier knapp 43 Höhenmeter. Gefordert sind hier aber nicht nur kräftige Beine, sondern auch viel Konzentration – die Straße hat hier leider schon mal bessere Tage gesehen und so gilt es sowohl beim Aufstieg als auch bei der rasanten Abfahrt, das altbekannte Spiel mit den Schlaglöchern und gefährlichen Rillen im Belag zu spielen. Nach einigen Wiederholungen lernt man andererseits schnell, die beste Spur zu finden.
Update 28.04.2020: Der große Bruder des Müggelberg
Bereits letzten Herbst habe ich noch einen weiteren Anstieg am Müggelberg entdeckt, besser gesagt: Den großen Bruder der mir bisher bekannten Erhebung. Fährt die Straße zum Müggelturm nämlich nur den „kleinen Müggelberg“ hinauf, so kann man von Osten kommend aus Müggelheim sogar auf die tatsächlich höchste natürliche Erhebung Berlins klettern.
Die Einfahrt ist etwas versteckt in einer Wohnsiedlung und bereits die Anfahrt ist eigentlich ein kleiner Anstieg – man kommt also perfektes aufgewärmt an. Der Anstieg selbst ist mit knapp einem Kilometer Länge recht lang und da man hier ebenfalls nur die bereits bekannten 44 Höhenmeter erklimmen kann, ist dieser Anstieg der im Schnitt „flachste“. Dennoch wartet ein kurzes steiles Stück auf, das einem zweistellige Prozente auf den Radcomputer zaubert.
Der große Vorteil: Dieser recht schmale Weg, der durchgehend gut geteert ist, ist komplett autofrei und unter der Woche trifft man hier nur selten auf Fußgänger oder weitere Radfahrer. Rechnet man übrigens die Anfahrt ab dem Abzweig vom Müggelheimer Damm mit ein, kommt man auf insgesamt 67 Höhenmeter auf zwei Kilometern mit einer durchschnittlichen Steigung von 3,2 %. Der ideale Ort zum Everesten?
Der direkte Vergleich
Karlsberg | Teufelsberg | Kl. Müggelberg | Gr. Müggelberg | |
Durchschnittliche Steigung | 4,8 % | 8,4 % | 6,9 % | 4,2 % |
Maximale Steigung | 6,4 % | 12,6 % | 8,9 % | 10,1 % |
Länge | 900 m | 600 m | 600 m | 1.000 m |
Höhenmeter | 44 Hm | 44 Hm | 43 Hm | 44 Hm |
Strecke | Google Maps Komoot | Google Maps Komoot | Google Maps Komoot | Google Maps Komoot |
Fazit
Im Fazit bleibt zu sagen: Sowohl im Grunewald als auch am Müggelberg lassen sich durch viele Wiederholungen auch einige Höhenmeter in Berlin sammeln, besonders am Teufelsberg. Aussichten wie in den Alpen gibt’s zwar meist nicht, dafür aber kurze Anfahrtswege und durch das erzwungene Intervalltraining gute Trainingseffekte. Ob die Berliner Berge am Ende helfen, die Mitfahrer beim Gran Fondo Stelvio nicht einfach davonziehen lassen zu müssen, wird sich zeigen. Den ein oder anderen längeren und höheren Anstieg hätte ich mir dafür im Training schon gewünscht – dafür musste es dann entweder weiter weg oder zurück in die lippische Heimat gehen.
5 Antworten auf „Bergtraining in Berlin: Grunewald vs. Müggelberg“
Danke, genau sowas habe ich gesucht!
danke
[…] Mai 2019 habe ich in diesem Artikel bereits einmal aufgezeigt, dass man mit den Anstiegen im Grunewald oder am kleinen und großen […]
Danke für das Teilen deiner Erfahrungen hier und für den Vergleich.
Hej, vielen Dank für diese echt gute Zusammenfassung :)